Einfach plastikfrei leben
Einfach plastikfrei leben? Fehlanzeige! Unser blauer Planet erstickt in Plastik. Plastikpartikel und die bei der Plastikherstellung verwendeten giftigen Chemikalien finden sich überall. Wir essen und trinken Plastik, atmen Plastik, tragen Plastikkleidung und »pflegen« unsere Haut mit Plastik. Jährlich werden in Deutschland rund 14 Millionen Tonnen Plastik verbraucht – damit liegt unser Land europaweit an der Spitze derjenigen, die neben Estland, Luxemburg und Irland am meisten Plastikmüll produzieren. Zum Vergleich: Weltweit werden über 400 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Ein Ende dieses Plastikwahnsinns ist nicht abzusehen.
Dabei bilden wir uns hierzulande ach so viel auf unser Umweltbewusstsein ein. Die traurige Realität aber sieht anders aus: Ein Coffee to go am Morgen, ein Salat aus der Plastikschale mit Einwegbesteck aus Kunststoff in der Mittagspause und Fast Food vom Lieferservice am Abend – so sieht bei vielen Menschen der Alltag aus. Auch beim Einkaufen haben wir oft mehr Verpackungsmüll als Ware im Einkaufswagen. Und nach den Fridays for Future strömen Schüler und Studenten scharenweise in die Burgerrestaurants. Soviel zum Klimaschutz, bei dem der Verzicht auf Plastikprodukte eine nicht unwesentliche Rolle spielt …
Eine, die dem Plastik gewaltfrei den Kampf angesagt hat, ist die junge Münchnerin Charlotte Schüler. Sie nutzte den Umzug in die erste eigene Wohnung, um Plastik aus ihrem Leben zu verbannen, lebt seit nunmehr drei Jahren – fast – plastikfrei und hat im April ihr Buch »Einfach plastikfrei leben. Schritt für Schritt zu einem nachhaltigen Alltag« im Südwest Verlag veröffentlicht. Letzten Monat stellte sie ihr Werk auf der GREENSTYLE munich fair and conference (GMUC) erstmals der Öffentlichkeit vor. Die Anwesenden waren begeistert von dem auf Apfelpapier gedruckten Buch, so auch ich. Wobei … Ein paar kritische Gedanken habe ich zum Buch, aber dazu weiter unten mehr. Lassen wir zunächst den Verlag sprechen!
Der Verlag über das Buch
Ob zu Hause, im Büro oder auf Reisen: Wir benutzen ständig Plastik und produzieren viel zu viel Müll. Charlotte Schüler hatte vor einigen Jahren genug von diesem unachtsamen Umgang mit unserem Planeten und lebt seitdem (nahezu) plastikfrei. Ihren nachhaltigen Alltag dokumentiert die junge Münchnerin mit großem Erfolg auf ihrem → Blog und in den sozialen Medien.
In diesem Ratgeber erklärt sie, wie wir alte Gewohnheiten mit einfachen Mitteln nach und nach verändern können. Die Autorin präsentiert ein Vier-Schritte-Programm für alle Lebensbereiche und hat inspirierende Ideen für viele Alltagssituationen. Ihre Vorschläge sind mühelos in die Tat umsetzbar und werden durch spannendes Hintergrundwissen, DIY-Anleitungen und Checklisten ergänzt. Denn jeder kann weniger Müll produzieren – wir müssen nur endlich damit anfangen!
Nachhaltigkeit steht auch bei der Produktion des Buches im Mittelpunkt. Das umweltfreundliche Apfelpapier wird aus Resten gewonnen, die bei der Saftherstellung entstehen. Bei der Papiergewinnung wird nur erneuerbare Energie verwendet und natürlich wird das Buch am Ende nicht in Plastik eingeschweißt.
Einfach plastikfrei leben
Buchinformationen
Titel: Einfach plastikfrei leben. Schritt für Schritt zu einem nachhaltigen Alltag
Broschiert: 160 Seiten
Verlag: Südwest Verlag
Erscheinungsdatum: 8. April 2019
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3517098019
ISBN-13: 978-3517098012
Preis: 18,00 Euro (Kindle: 12,99 Euro)
Über die Autorin
Die Bloggerin und Mediengestalterin Charlotte Schüler hat sich beim Einzug in die erste eigene Wohnung für ein plastikfreies Leben entschieden. Inspiriert wurde sie von ihrer Mutter, die in ihrem Laden in München unverpackte Lebensmittel und plastikfreie Produkte verkauft. Auf dem Blog → PlastikfreiLeben.de und ihren Social-Media-Kanälen sowie in Vorträgen und Workshops erklärt sie anschaulich, wie man nachhaltiger lebt und Plastik im Alltag vermeidet.
Meine Gedanken zum Buch
Charlotte bietet in ihrem griffigen Erstling einen für alle nachvollziehbaren Start in ein plastikfreies Leben. Auf eine kurze Einführung ins Thema folgen drei Hauptkapitel: 1. Basics rund ums Plastik, 2. Das Vier-Schritte-Programm und 3. Plastikfrei leben – FAQ. Solide Hintergrundinformationen, viele DIY-Tipps und liebevoll von Susanne Krauss fotografierte Bilder helfen beim schnellen Einstieg in die Materie. Besonders sympathisch finde ich, dass die Autorin niemals den »pädagogischen Zeigefinger« hebt, sondern aufzeigt, wo wir bei einem plastikfreien Leben an unsere Grenzen stoßen (Charlotte kann und will zum Beispiel nicht auf ihre Kontaktlinsen verzichten) und dass wir niemandem ein solches Leben aufzwingen können oder gar sollen. Ein sehr wichtiger Punkt, wie ich finde.
Teil 1: Basics rund ums Plastik
Im ersten Kapitel erläutert Charlotte leicht verständlich die wichtigsten Fakten über Plastik und ruft uns die Bedeutung der fünf »R« der Zero-Waste-Bewegung in Erinnerung: refuse (ablehnen), reduce (reduzieren), reuse (wiederverwenden und reparieren), recycle (zur Wertstoffsammlung geben) und rot (kompostieren). Die beiden letzten »R« haben allerdings so ihre Tücken: Nicht für jeden ist die nächstgelegene Wertstoffsammlung auch wirklich in der Nähe und somit ohne Auto erreichbar und auch das Kompostieren dürfte nicht für jedermann so ohne Weiteres umsetzbar sein. Wer in einer Mietwohnung ohne Balkon lebt und/oder von seinem Vermieter keine Erlaubnis zum Aufstellen eines Komposters erhält, stößt schnell an seine Grenzen. Nicht zuletzt bestehen herkömmliche Komposter aus … Na, wer weiß es? Richtig – aus Plastik!
Teil 2: Das Vier-Schritte-Programm
1. Schnelle effektive Veränderungen
2. Mehrweg statt Einweg
3. Mikroplastik und verstecktes Plastik
4. Nachhaltig leben
Schnelle effektive Veränderungen
So verlockend der Gedanke ist, in nur vier Schritten sein Leben auf den Kopf zu stellen und fortan plastikfrei zu leben, so schnell wird einem auch bewusst, was machbar ist und was nicht. Charlotte beschäftigt sich im ersten Schritt mit kleinen Veränderungen, die eine große Wirkung haben und eine Menge Müll vermeiden. So macht es beispielsweise Sinn, auf Trinkhalme aus Plastik zu verzichten und diese durch Halme aus Glas oder Edelstahl zu ersetzen. Für viele andere Produkte gibt es ebenfalls plastikfreie Alternativen. Allerdings nicht für alle. Fernseher, Computer oder Handy ohne Plastik? Undenkbar! Auch möchte ich keinesfalls auf meine elektrische Zahnbürste verzichten. Die putzt einfach sauberer als meine Handzahnbürste aus Bambus.
Mehrweg statt Einweg
Auch ist uns wohl allen klar, dass Einwegprodukte im wahrsten Sinne des Wortes großer Müll sind und wir beim Einkaufen besser auf Mehrwegprodukte setzen sollten. Allein beim Gedanken an den Verpackungsmüll, der tagtäglich anfällt, stehen mir die Haare zu Berge. Jedoch gebe ich zu bedenken, dass du zwar sogar Geld sparst, wenn du zum Beispiel Einwegrasierer bzw. -klingen ignorierst und stattdessen zu Rasierhobel und passenden Klingen greifst, das Einkaufen im »Unverpackt«-Laden aber gerade bei Lebensmitteln sehr rasch in eine finanzielle Katastrophe münden kann. Und nicht jeder hat die Zeit und Kraft, täglich zwei bis drei Stunden mit acht Kilo Glasware quer durch die Stadt zu fahren, um die Gläser umweltbewusst befüllen zu lassen.
Mikroplastik und verstecktes Plastik
Mikroplastik und verstecktes Plastik sind Themen, die gar nicht oft genug diskutiert werden können. Insbesondere, wenn es um Kosmetik und Haushaltspflege geht, gibt es hier noch viel Luft nach oben. Für mich waren in diesem Schritt leider keine neuen Tipps dabei, da ich ausschließlich Naturkosmetik verwende und Dinge wie → Waschmittel und Co. für den Haushalt inzwischen wieder selbst herstelle. Das macht Spaß und schont nach einiger Zeit auch das Portemonnaie.
Nachhaltig leben
Ein nachhaltiger Lebensstil betrifft alle Lebensbereiche und sollte für jeden selbstverständlich sein. Ist er aber nicht. Das ist betrüblich, lässt sich aber nur Schritt für Schritt ändern. Der beste Ehemann von allen und ich stupsen uns trotz aller Bemühungen immer wieder die Nasen blutig. Doch wenn jeder von uns erste Schritte wagt – und seien sie auch noch so klein – können wir gemeinsam viel erreichen. Das ist auch Charlottes Meinung und so betont sie im vierten Schritt immer wieder, wie wichtig doch vor allem die beiden ersten »R« sind: refuse (ablehnen) und reduce (reduzieren). Da stimme ich ihr von Herzen zu.
So fällt es mir beispielsweise leicht, seit einigen Jahren meine Capsule Wardrobe zu pflegen. Auch die Umstellung auf Fair Fashion war einfacher als ursprünglich gedacht: Wer weniger kauft, kann sich gute Stücke leisten, mögen diese zuweilen auch ein bisserl mehr kosten. Schwierig finde ich es jedoch nach wie vor in den Bereichen Outdoor und Sport. Funktionskleidung besteht zumeist aus Hightechmaterialien, für die es nur selten umweltfreundliche, plastikfreie Alternativen gibt – Yoga ist als Sportart nicht für jeden verlockend. Und bislang ist mir auch noch kein perfektes, für alle Wetterlagen geeignetes Zelt aus Baumwolle, Leinen, Hanf und Co. untergekommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Teil 3: Plastikfrei leben – FAQ
In den FAQ fasst Charlotte nochmals alle wesentlichen Punkte für ein plastikfreies Leben daheim und unterwegs zusammen, wiederholt und vertieft diese. Vieles wurde inhaltlich schon im mittleren Teil des Buches gesagt, sodass ich mir hier ein strafferes Lektorat gewünscht hätte.
Ein bisserl Kritik zum Schluss …
Einen Kritikpunkt muss ich noch loswerden: Das Buch ist aus der Perspektive einer jungen, gesunden und allein lebenden Frau der gehobenen Mittelschicht geschrieben. Und damit ein wenig an der Realität des »Durchschnittsdeutschen« vorbei. Wer nicht in der Nähe eines »Unverpackt«-Ladens lebt oder gar eine Mutter hat, die einen solchen führt, dürfte sich zumindest in München angesichts der zurückzulegenden Entfernungen, der zu schleppenden Kilos und nicht zuletzt der happigen Preise erst einmal winselnd auf den Rücken legen. Stolze 39,90 Euro für 24 Rollen Toilettenpapier? Eha! Das Sparpack mit 16 Rollen kostet bei ROSSMANN 3,99 Euro, während acht Rollen im dm mit 2,35 Euro zu Buche schlagen (alles: Recyclingpapier).
Viele Rentner, aber auch Alleinerziehende, dürften bei diesen Preisen verschreckt den Po zusammenkneifen. Von Hartz-4-Empfängern mit einem Tagessatz von rund 13,60 Euro will ich lieber gar nicht erst anfangen. Natürlich sollte uns die Zukunft unseres Planeten, unser aller Zukunft, etwas wert sein. Aber Nudeln für 3,90 Euro bis 7,90 Euro das Kilo? Die kann sich nun einmal nicht jeder leisten. Für viele Menschen in Deutschland ist die Umwelt wichtig – die Existenzsicherung aber auch. Und damit komme ich zum letzten Punkt meiner Kritik: Ich vermisse in Charlottes Buch den Hinweis darauf, dass wir als Bürger durch Plastikverzicht zwar viel erreichen können, es letztendlich aber in der Hand der Plastikproduzenten und Politiker liegt, die alles entscheidende Wende herbeizuführen.
Denn Hauptverursacher für die furchteinflößende Plastikkrise sind international agierende Unternehmen, die ihren Verantwortlichkeiten nicht nachkommen und stattdessen in den kommenden Jahren sogar eine Ausweitung der Plastikproduktion planen. Erschreckende Aussichten …
Eine Idee (oder zwei)
Ich bin nur ein Mensch. Und als solcher natürlich weder allwissend noch allmächtig und daher nicht imstande, die Plastikkrise allein aufzudröseln. Eine Idee kam mir allerdings beim Tippen dieser Zeilen: Wie wäre es denn, liebe Bundesregierung, Schulabsolventen nicht mehr eine gebundene Ausgabe des Grundgesetzes in die Hand zu drücken (das eh kaum ein Absolvent je wieder anrührt) und stattdessen die Erstklässler mit je einer Isoliertrinkflasche und einem Isolierspeisebehälter zu beschenken?
Ja, das wird ein wenig teurer als die ursprüngliche Gabe. Macht aber mehr Sinn und weckt bei Kindern wie Eltern den Sinn für Nachhaltigkeit. Überhaupt: Warum ist Nachhaltigkeit noch kein Schulfach? Zeit wird’s!
Sissis Resümee
Der Ratgeber »Einfach plastikfrei leben. Schritt für Schritt zu einem nachhaltigen Alltag« von Charlotte Schüler liegt gut in der Hand, besitzt aufgrund des verwendeten Apfelpapiers eine äußerst angenehme Haptik und lässt sich bequem an einem Abend »runterlesen«. Und auch, wenn das Buch für mich nicht viel Neues bietet und ich in dieser Buchvorstellung nicht mit Kritik gespart habe, kann ich es jedem Einsteiger in ein plastikfreies Leben wärmstens empfehlen. Die DIY-Tipps und Checklisten sind inspirierend und laden zur Nachahmung ein, weshalb ich es in den letzten vier Wochen auch schon acht Mal verschenkt habe.
Insgesamt fühle ich mich nach dem Lesen des Buches seit einigen Wochen wieder sehr motiviert, noch mehr auf meinen Plastikkonsum zu achten und »abgeliebten« Kleidungsstücken neues Leben einzuhauchen. Im Moment stehen »Butterbrottüten« aus alten Jeans und ein Glashalmetui für unterwegs auf meinem Nähprogramm. Und noch ein paar weitere Ideen schwirren durch meinen Kopf … Du darfst gespannt sein!
Was tust du, um weniger Plastik im Alltag zu verwenden?
XOXO
Sissi
[Transparenz: Der Ratgeber »Einfach plastikfrei leben. Schritt für Schritt zu einem nachhaltigen Alltag« von Charlotte Schüler wurde uns als Rezensionsexemplar vom → Südwest Verlag zur Verfügung gestellt. Artikelbild: Karina Tess.]