Gedanken zum 50. oder: Vieux Carré
Ich bin 50. Kaum zu fassen, oder? Ein halbes Jahrhundert lang wandle ich nun schon über diesen wunderbaren Planeten. Der 50. Geburtstag ist für viele Menschen etwas Besonderes. Auch für mich. Realistisch betrachtet, habe ich in dieser Woche eine Grenze überschritten: Mindestens die Hälfte meines Lebens liegt hinter mir. Optimistisch betrachtet, liegt die andere Hälfte noch vor mir. Und darauf freue ich mich. Denn ich bin nicht nur älter, sondern auch ein ganzes Stückchen reifer und weiser geworden. In den vergangenen fünf Dekaden habe ich viel erlebt, nicht zuletzt die digitale Revolution. Ich bin gestrauchelt, hingefallen und wieder aufgestanden. Habe Tränen gelacht, manchmal auch geweint und zuweilen geflucht. Die Lust aufs Leben konnte und kann mir keiner nehmen. Ich bin nicht alt, ich bin ein Klassiker. Vintage, wenn du so willst. Passend dazu habe ich an meinem Ehrentag mit dem besten Ehemann von allen Vintage Cocktails wie den Vieux Carré getrunken – eine Hommage an das New Orleans der Dreißigerjahre und auch eine Hommage an mein Leben.
Alter ist nur eine Zahl …
Doch bevor ich dir gleich das Rezept verrate, möchte ich kurz ausholen. In den vergangenen Tagen hat sich die Welt das Maul über den französischen Schriftsteller Yann Moix zerrissen. In einem Interview mit der Frauenzeitschrift »Marie Claire« sagte er, er sei nicht imstande, 50 Jahre alte Frauen zu lieben. Fünfzigjährige seien ihm – selbst im März 1968 geboren – »zu alt«, sie seien »unsichtbar«, ihre Körper »einfach nur gewöhnlich«. Er bevorzuge die Körper junger Frauen. Die seien nämlich »extraordinär«.
Juckt mich das? Nö! Ich empfinde Mitleid mit diesem »alten Mann«, der sich nur an den Körpern junger Frauen erregen kann und die Schönheit einer Fünfzigjährigen nicht erkennt. Who the fuck is Yann Moix? Und weshalb sollte es mich interessieren, was er über seine sexuellen Vorlieben zu sagen hat? Im Grunde spricht er nur offen aus, was viele denken. Nicht nur Männer … Wir leben nun einmal in einer vom → Jugendwahn gezeichneten Welt. Und wenn ein Mann nur mit einer jungen Frau kann … So what? Schließlich gibt es auch Frauen wie Heidi Klum, die mit jüngeren Spielgefährten in den Sandkasten hopsen. Um nur ein Beispiel zu nennen. Auch mein Mann ist acht Jahre jünger als ich. Was sagt das über uns aus? Das Alter ist nur eine Zahl und der Körper lediglich eine Hülle für unsere Seelen. Daran glaube ich. Gestern. Heute. Morgen.
Rezept für den Vieux Carré
Zutaten für einen Genießer:
– 3 Zentiliter Cognac
– 3 Zentiliter Rye Whiskey
– 3 Zentiliter Roter Wermut
– 1/2 Barlöffel Bénédictine
– 2 Dashes Angostura Bitters
– 2 Dashes Peychaud Bitters
– Eiswürfel
– zum Dekorieren: Orangen- oder Zitronenzesten
Zubereitung des Vieux Carrés
Verrühre alle Zutaten mit Eiswürfeln für rund 30 Sekunden im Rührglas. Seihe den Drink dann in ein vorgekühltes Martini-Glas ab. Wenn du es – so wie ich – eher ein bisserl kraftvoller und historisch korrekter magst, kannst du den Vieux Carré auch auf Eis in einen Tumbler abseihen. Dekoriere das Glas zum Schluss nach Belieben mit Orangen- oder Zitronenzesten. Prost!
Sissis Resümee
Laut → Eye for Spirits »verkörpert der Vieux Carré einen in die Jahre gekommenen Gentleman, der auf Details achtet«. Ich denke, das gilt auch für die moderne »Gentlewoman«. Mir jedenfalls hat der Cocktail unglaublich gut geschmeckt. Und so, wie ich den altehrwürdigen Cocktail genossen habe, werde ich auch mein Ü-50-Leben genießen: mit allen Sinnen, bedacht und dankbar für die Freuden, die das Leben mir bietet.
Wer mich kennt weiß, dass es mir unmöglich ist, unsichtbar zu sein. Still und leise in meinem Schneckenhaus hocken? Ein Leben als »braves altes Mädchen« führen, meine Falten zählen und der ach so herrlichen Jugendzeit hinterhertrauern? Undenkbar! Ich bin präsent, ich weiß, was ich will und ich habe noch eine Menge vor. Meine → Bucket List 2019 spricht für sich. Und das ist nur die Spitze des Eisberges … Mein 50. Geburtstag eröffnet mir neue Perspektiven. Viele Themen wie zum Beispiel Kinderkriegen sind endgültig abgehakt. Ich allein bestimme über mein Leben und mein Lebensgefühl. Wer das Älterwerden nicht akzeptiert, hat in meinen Augen ein gravierendes Problem. Und so wird es auch in Zukunft für mich weder eine Botox-Injektion noch ein Facelifting geben. Ich bin ich. Nur ein bisserl älter. Und weiser.
Was denkst du über das Älterwerden? Und magst du Rezepte für fast vergessene Vintage Cocktails wie den Vieux Carré? Ich freue mich wie immer über deinen Kommentar!
XOXO
Sissi
[Artikelbild: Miguel Maldonado.]