Glockenblumen-Wespenbiene
Wespe im Namen, trotzdem Biene? Die Glockenblumen-Wespenbiene (Nomada braunsiana) sieht tatsächlich so mancher kleinen Wespe zum Verwechseln ähnlich. Jedoch lebt sie weder Staaten bildend noch jagt sie andere Insekten. Vielmehr ist sie eine geschickte Strategin, die als Kuckucksbiene keinem eigenen Brutgeschäft nachgeht. Die kleine Biene erreicht eine Körpergröße von elf Millimetern. Die für Wespenbienen nicht unübliche Rotfärbung der Fühler und Beine sowie die braunroten Augen machen die Glockenblumen-Wespenbiene zu einer auffälligen Art.
Unsere Wildbiene des Monats ist zwar weitverbreitet, dabei allerdings auch sehr selten. Zum Leben braucht sie trockenwarme Standorte wie Magerrasen, Trockenhänge, sonnige Waldränder oder auch extensiv genutztes Grünland. Wir treffen sie dort an, wo ihre Wirtsbienen neuen Baugrund für ihre Nester suchen. Diese sind spezialisiert auf Glockenblumen, was der Wespenbiene auch den entsprechenden deutschen Namen bescherte.
Wirtsbienen der Glockenblumen-Wespenbiene
Wie alle Kuckucksbienen baut auch die Glockenblumen-Wespenbiene keine eigenen Nester, um ihre Nachkommen durchzubringen. Sie schleust sich bei unterschiedlichen pollensammelnden Schuppensandbienen ein. So parasitiert sie die Graue Schuppensandbiene (Andrena pandellei), die Braune Schuppensandbiene (Andrena curvungula) und die Kahle Schuppensandbiene (Andrena paucisquama).
Dafür wartet sie in einer Art »Lauerstellung«, bis die Wirtsbiene zum Sammelflug aufbricht. Dann geht alles ganz schnell: Die Kuckucksbiene öffnet die unterirdisch angelegten Brutzellen und legt ihre eigenen Eier zu den vorhandenen dazu. Zumeist unbemerkt, frisst die zeitig geschlüpfte Larve der Wespenbiene das Ei und Pollenbrot der ahnungslosen Gastgeberin. Im späten Frühjahr des Folgejahres schlüpfen dann die Nachkommen, um sich erneut ins gemachte Nest zu setzen. Bis in den August hinein ist die geschickte Infiltrantin unterwegs, ehe sich ihre Lebensspanne dem Ende neigt.
Nahrungspflanzen
Da die Glockenblumen-Wespenbiene keinen Pollen für ihren Nachwuchs sammeln muss, kann sie sich voll und ganz auf die Eigenversorgung konzentrieren. So saugt sie ab Mai an diversen Blütenpflanzen Nektar. Als Nahrungspflanze nachgewiesen wurden bislang der Knollige Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus) und der Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys).
So unterstützt du die Glockenblumen-Wespenbiene
Vielleicht fragst du dich, wie wir dieser besonderen Wildbienenart und ihren Verwandten helfen können? Die Antwort ist klar: Wir müssen ihre wertvollen Lebensräume schützen. Leider werden diese zunehmend für Siedlungen, Verkehr und Gewerbe versiegelt. Es ist wichtig, diesem Trend entgegenzuwirken und naturnahe Flächen zu erhalten.
Ermutige deine Lokalpolitiker, sich für Magerrasen, vielfältige Waldränder und mehr extensiv genutztes Grünland als Lebensräume einzusetzen. Du selbst kannst in deinem Garten oder auf dem Balkon regionale Wildpflanzen pflanzen. Halte zudem die Augen nach Wildpflanzen offen, deren Samen du sammeln und aussäen kannst. Und erzähle deinen Freunden und Bekannten, wie faszinierend unsere Insektenwelt ist.
Weitere Tipps, wie du bienenfreundliche Strukturen nicht nur für die Glockenblumen-Wespenbiene gestalten kannst, findest du unter anderem in den von mir vorgestellten Büchern »Gartenmomente: Bienen- und insektenfreundlich gärtnern«, »Wildnis im Garten« und »Auf ins Beet! 30 wilde Gartenideen für Radieschenräuber und Bienenretter« oder online unter Deutschland summt und Wir tun was für Bienen.
Steckbrief der Glockenblumen-Wespenbiene
- Lateinischer Name: Nomada braunsiana (Schmiedeknecht 1882)
- Flugzeiten: Mai bis August
- Lebensraum: trockenwarme Standorte, Magerrasen, Trockenhänge, sonnige Waldränder, extensiv genutztes Grünland
- Nahrung: braucht nur Nektarquellen
- Nistweise: baut keine eigenen Nester
- Wirtsbienen: Graue Schuppensandbiene (Andrena pandellei PÉREZ 1895), Braune Schuppensandbiene (Andrena curvungula THOMSON 1870) und Kahle Schuppensandbiene (Andrena paucisquama NOSKIEWICZ, 1924)
- Gefährdung: weitverbreitet, jedoch extrem selten; in Deutschland vom Aussterben bedroht; in Sachsen und Thüringen bereits ausgestorben
Weiterführende Literatur
- Amiet, Felix & Albert Krebs: Bienen Mitteleuropas – Gattungen, Lebensweise, Beobachtung. Haupt Verlag, Bern 2012.
- Bellmann, Heiko & Helb, Matthias: Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos Verlag, Stuttgart 2017.
- Hemmer, Cornelis & Hölzer, Corinna: Wir tun was für Bienen. Wildbienengarten, Insektenhotel und Stadtimkerei. Kosmos Verlag, Stuttgart 2017.
- Michener, Charles Duncan: The Bees of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2007.
- Scheuchl, Erwin & Wolfgang Willner: Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas: Alle Arten im Portrait. Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co., Wiebelsheim 2016.
- Westrich, Paul: Die Wildbienen Deutschlands, 2.Auflage, 1 700 Farbfotos. Ulmer-Verlag, Stuttgart 2019.
- Wiesbauer, H.: Wilde Bienen – Biologie–Lebensraumdynamik von über 470 Wildbienen Mitteleuropas, 2. Auflage. Eugen Ulmer KG, Stuttgart 2017.
Sissis Resümee
Der Monat November ist nicht dazu angetan, Wildbienen zu beobachten. Dennoch möchten wir die Tradition der Wildbiene des Monats aufrechterhalten. Denn es lohnt sich, diese ebenso hübschen wie nützlichen Insekten kennenzulernen! Außerdem ist der Winter die beste Zeit, um Bilanz zu ziehen, zu überlegen, was in diesem Gartenjahr gut oder weniger gut geklappt hat, in Saatgut- und Pflanzenkatalogen zu stöbern und vielleicht auch das eine oder andere kleine grüne Wunder als Weihnachtsgeschenk zu bestellen.
Wir jedenfalls stecken schon bis über beide Ohren in der Planung für das Gartenjahr 2025. Und obwohl dieses Gartenjahr mehr Frust als Lust und eine eher enttäuschende Ernte in den Gemüsebeeten gebracht hat, konnten wir weiterhin eine steigende Insekten- und Spinnenvielfalt auf unserem kleinen grünen Fleckchen beobachten. Irgendetwas machen wir also wohl richtig und diese Erkenntnis macht mich glücklich. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich unser Garten im nächsten Frühjahr entwickelt.
Wir sehen uns draußen!
XOXO
Sissi
[Quelle: Stiftung für Mensch und Umwelt und eigene Recherche. Grafik: Dominik Jentzsch via Stiftung für Mensch und Umwelt. Artikelbild: Weibliche Glockenblumen-Wespenbiene, fotografiert von Roland Günter.]