So feiert München den alternativen Pride
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So feiert München den alternativen Pride

Jetzt erst recht! Die Corona-Pandemie hat unser Alltags- und Partyleben nach wie vor fest im Griff. Dennoch kann München am kommenden Wochenende in die PrideWeek starten. Die fällt zwar ein bisserl kleiner aus als in den vergangenen Jahren, aber die Botschaft wirkt groß in diesen Tagen: Der Münchner CSD kommt! Und er ist auf berührende Weise bunter und kreativer denn je zuvor. Wir erleben eine PrideWeek, eine Demo-Aktion in dezentraler Form und ja, sogar so etwas wie ein Straßenfest mit Bühnenshow – das aber rein virtuell. Vom 4. bis zum 12. Juli bitten der CSD und die Münchner LGBTI*-Community zum fantasievollen Alternativprogramm und spielen sogar zum Tanz auf.

Dahinter steckt ein Riesenstück Arbeit. Ich vermute, dass während der Umplanung der PrideWeek auch jede Menge Schweiß und Tränen geflossen sind. Davon war dem CSD-Team auf der heutigen Pressekonferenz jedoch nichts anzumerken. Im Gegenteil: strahlende Gesichter, wohin ich auch blickte. Sprecherin Julia Bomsdorf verrät allerdings: »Wir waren erstmal geschockt, als wir den CSD in gewohnter Form absagen mussten.« Ideen gab es viele, doch bis endlich grünes Licht von Stadt und Polizei kam, mussten sich die Macher des CSD in Geduld üben. Logisch, sind doch alle Großveranstaltungen derzeit untersagt. Auf den CSD verzichten wollte aber niemand: »Gerade in diesen Zeiten, da uns von Rechts starker Gegenwind ins Haus weht, müssen wir sichtbar sein«, sagt Julia. Als dann das erhoffte grüne Licht kam, musste alles ganz schnell gehen.

 

Politische Forderungen sollen Münchens Community stärken

Exakt → 14 politische Forderungen hat der Münchner CSD für dieses Jahr aufgestellt, die unter dem Motto »Gegen Hass. Bunt, gemeinsam, stark!« für Solidarität in der Community werben und zum Handeln aufrufen. Ein, wie sich herausstellt, aktuell sehr passender Slogan. Denn wie so viele in Deutschland stehen dank Coronavirus – neben dem CSD selbst – auch LGBTI*-Aktivisten, -Vereine und kommerzielle Szene unter enormem wirtschaftlichem Druck.

»Dass der Alternativ-Pride in so kurzer Zeit neu aufgesetzt werden konnte, ist der kreativen Energie der Münchner Szene und ihrer Freunden zu verdanken, die sich für ihren CSD – ideell wie finanziell – stark gemacht haben«, sagt Janisha Jones, Münchner Drag Queen (»Queen of Drags«), die die lokale LGBTI*-Community unterstützt. Die → Liste der Supporter ist lang.

 

Der CDS 2020 in München wird bunt

Die → PrideWeek gestalten vom 4. bis zum 12. Juli mit ihren Veranstaltungen nach wie vor die Münchner LGBTI*-Organisationen und ihre Mitstreiter – analog und digital. Das geht von der klassischen Lesung lesbischer und schwuler Autoren, über Regenbogen-Flashmobs in der Stadt bis zur Zooführung über queeres Leben in der Tierwelt.

Die abgesagte → PolitParade vom 11. Juli findet virtuell im Netz statt. Wer sich dafür angemeldet hat, kann sich seit Kurzem auf der CSD-Website mit einem kurzen Video vorstellen, das am CSD-Samstag während des Livestreams außerdem im neuen lesbisch-queeren Zentrum LeZ gezeigt wird. Knapp 60 Beiträge sind eingegangen – von LGBTI*-Gruppen, Menschenrechtsinitiativen, Gesundheitseinrichtungen und Parteien sowie den Diversity-Abteilungen zahlreicher Unternehmen, ebenso aber auch von Einzelpersonen.

Eine Art Demo gibt es aber trotzdem! Die Münchner Szene protestiert heuer infektionssicher dezentral in eigens dafür definierten → CSD-Demo-Spots in der Innenstadt. Darum haben Veranstalter, Kreisverwaltungsreferat und Polizei wochenlang gerungen. Mit ihren Transparenten, Schildern und Flyern stehen die Demogrüppchen am 11. Juli ab 12:00 Uhr auf rund 50 festen Positionen in den Fußgängerzonen der Altstadt. Auch den PrideGuide mit den politischen Forderungen der Münchner LGBTI*-Community verteilen sie dort.

Im Abstand von etwa 50 Metern reihen sich die Protestwilligen vom Marienplatz ausgehend in Kleingruppen von bis zu sechs Leuten auf. So entsteht ein Regenbogennetz, das sich über die ganze Innenstadt spannt, ohne aber die Gesundheit der Münchner aufs Spiel zu setzen. Die Aktion dauert etwa drei Stunden. Eine grandiose Idee, wie ich finde!

 

Zebrastreifen in Regenbogenfarben

Musik, Vorträge und Darbietungen sind an den CSD-Demo-Spots übrigens nicht erlaubt, um die Passanten nicht zum Verweilen anzuregen. Zu viele Demonstrationen seien in der letzten Zeit aus dem Ruder gelaufen, sagt CSD-Geschäftsführer Alexander Kluge, der zu Besonnenheit aufruft. Spazieren sei erlaubt, Party nicht. Wer alle Spots abgeht, muss 2,6 Kilometer zurücklegen. »Das schafft mit kreativen Mitteln die Sichtbarkeit, die wir uns für den CSD wünschen«, so Thomas Niederbühl, politischer Sprecher des CSD.

Am Rathaus und am Marienplatz werden außerdem Regenbogenfahnen wehen. Im Glockenbachviertel strahlen von den Ampeln Liebespaare aller Couleurs. Die Trambahnen und Busse der Stadt schmücken sich mit Regenbogenwimpeln. Ja, sogar einzelne Zebrastreifen werden in der PrideWeek in den bunten Farben der LGBTI*-Community erstrahlen. Letzteres ist neu.

 

Vielfältiges Livestreaming

Den Höhepunkt der PrideWeek bildet in diesem Jahr das große Livestreaming aus dem lesbisch-queeren Zentrum LeZ am 11. Juli – als eine Mischung von PolitParade, Straßenfest und Bühnenshow. Wie die Demo beginnt der 18-stündige Act um 12:00 Uhr. Einen ganzen Tag lang strahlt das CSD-Team ein Programm ins Netz aus, das mit Grußworten beginnt und abends im Club endet, unter anderem mit Berghain-DJ Boris. Dazwischen ist viel Platz für Community-Talks, Musik, Live Acts, Kurzfilme, Drag Shows – auch Janisha Jones hat mit ihrer »Monatsschau« einen Auftritt.

Zur Sprache kommen in den Talks ernste Themen wie lesbische Sichtbarkeit, Gewalt gegen LGBTI* oder Aufklärung an Schulen. Auf der anderen Seite geht es aber natürlich auch wie in jedem Jahr ums Feiern. Dafür haben Musiker und DJs aus ganz Deutschland ihre Beiträge eingereicht, etwa Ankathie Koi, Kery Fay oder Schrottgrenze. Es darf also getanzt werden, wenn auch daheim. Als Conférencières des Events betätigen sich die Drag Queens Robin Ring und Sabine Maultäschle. Und natürlich werden die Zuschauer live ins Geschehen eingebunden, etwa über ein Gewinnspiel.

 

Die große Spendenaktion

Bei aller Vorfreude auf die alternative PrideWeek dürfen wir eines nicht vergessen: Der CSD agiert im Krisenmodus. Weil wegen des Coronavirus viele große Events der PrideWeek ausfallen – so zum Beispiel das beliebte RathausClubbing – gehen dem CSD wichtige Einnahmen verloren. Im Rahmen einer → Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Start Next sind bereits 14 000 Euro eingegangen, die dem Pride-Team helfen, die Veranstaltungen 2020 zu stemmen und auch die Organisation und Infrastruktur des CSD München für die Zukunft zu sichern.

Auf Spreadshirt gibt es außerdem einen → Support Shop, in dem du T-Shirts, Hoodys und Atemmasken im coolen CSD-Look (Design: Frank Zuber) findest. Sie kommen beim Publikum gut an. »Dafür sagen wir Danke«, so Sprecher Thomas Niederbühl, der sich über die gelebte Solidarität freut. »Jeder Euro hilft!«

 

Sissis Resümee

Grün ist nur eine Farbe des Regenbogens. Aber eine Farbe, die auf keinen Fall fehlen darf! Und so bin ich heute morgen gern der Einladung des CSD München zur Pressekonferenz ins LEZ gefolgt. Das lesbisch-queeren Zentrum wird offiziell übrigens erst im Herbst eröffnet, sodass es eine große Ehre war, schon jetzt die schnieken Räumlichkeiten betreten zu dürfen. Das CSD-Team hatte alles hervorragend vorbereitet. Abstand hieß die Devise und dennoch war die Atmosphäre ausgesprochen herzlich. Erneut war und bin ich beeindruckt davon, was das CSD-Team in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat. Den einen oder anderen Programmpunkt habe ich schon fest in meinem neuen Bullet Journal notiert. Neben den vielen Informationen und Denkanstößen haben mich aber vor allem zwei Dinge zutiefst bewegt:

Zum einen ist dies der Zusammenhalt der Münchner Community, der den Einzelnen trotz wachsender Homophobie in unserer Stadt stark sein lässt. Zum anderen sind es die Worte, die Janisha Jones in ihrer Begrüßungsansprache gefunden hat. Da war die Rede von Angst, Unsicherheit und Ablehnung, die sie erfahren hat, aber auch vom Willen, sich für die eigene Sache und die Interessen der Community weiter stark zu machen. Eine leise, sensible Seite an der Münchner Drag Queen, die ich an ihr noch nicht kannte und die in »Queen of Drags« leider nicht gezeigt wurde. Auch dies eine wertvolle Erfahrung.

Nach der Pressekonferenz gab es noch Zeit für persönliche Gespräche. Und nun freue ich mich auf den alternativen Pride am kommenden Wochenende. Gegen Hass. Bunt, gemeinsam, stark! Bist du dabei?

XOXO

Sissi

[Quelle: → CSD München und eigene Recherche. Artikelbild: Sharon McCutcheon.]