Wilde Pflanzen essen – Scharbockskraut

Wilde Pflanzen essen – Scharbockskraut

Bevor ich eine Lanze für das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria L.; Synonym: Ficaria verna) aus der Familie der Hahnenfußgewächse breche, muss ich erst einmal allen essbaren Wildpflanzen ein Lob aussprechen. Ja, hin und wieder rede ich auch mit den Pflanzen! Also: »Danke, meine wilden Buddies, dass ihr immer verfügbar seid, oft direkt vor der Haustüre steht, je nach Sammelstelle beste Bio-Qualität habt und noch dazu kostenfrei seid.«

Frühjahrsmüdigkeitskiller & Alien-Antipasti

Und jetzt ein »Super-spezialdickes-Danke« an unser Scharbockskraut! Es wächst meistens in so dichten Teppichen, dass die kleinen feinen Blätter recht flott eingesammelt sind und wir uns einen ordentlichen Vitamin-C-Boost in unseren Salat, Quark oder einfach nur so aufs Butterbrot holen können und damit Anflüge von Frühjahrsmüdigkeit in die Flucht schlagen.

Von meiner Parkrunde heute Morgen habe ich mir ein kleines Blatt vom Scharbockskraut mitgebracht. Wirklich mini. Die kleinen Blätter sind teilweise gerade erst so groß wie mein kleiner Fingernagel, doch es wird nicht mehr lange dauern, dann sind sie locker so groß wie ein dicker Männerdaumen. Hast du dir diese kleinen Blätter schon mal ganz genau angeschaut?

Sie glänzen von beiden Seiten. Die Oberseite ist dunkelgrün, die Unterseite sieht aus, als wäre eine weiße, durchsichtige Wachsschicht darüber gezogen worden. Der Stängel ist im Innern doppelt hohl. Wenn du die Stängel der Blätter aufschneidest und von unten hineinschaust, kuckt dich eine Art Schweineschnauze an. Die Blätter sehen aus wie ein Herz, bei dem ein dreijähriges Kind vergessen hat, die Spitze zu malen. Wenn du das Blatt umdrehst, siehst du eine verzweigte Nervatur.

Vor ein paar Wochen hatten wir einen Dreh im Schnee. Ohne Witz! Da ich wusste, wo unter dem Schnee Scharbockskraut versteckt sein muss, konnten wir superkleine Scharbockskraut-Baby-Blätter und vor allem die Wurzelknollen ausfindig machen. Diese Wurzelknollen sind richtig krasse Vorratsspeicher. Nur deshalb ist das Scharbockskraut ein Frühblüher.

Das Scharbockskraut wächst gern in dichten glänzenden Teppichen
Das Scharbockskraut wächst gern in dichten glänzenden Teppichen | Bild: Tanya

Funfacts

Das Scharbockskraut hat noch ein paar spezielle Funfacts für uns parat: Es ist einer unserer ersten Vitamin-C-Kracher im Frühjahr. Seefahrer nutzten es gegen Skorbut. »Scharbock« ist die alte Bezeichnung für Skorbut, eine damals verbreitete Vitaminmangelkrankheit.

Richtig lustig finde ich die Überlieferung, dass früher die Leute dachten, dass der liebe Gott Gerste hat regnen lassen, wenn in den Pfützen nach einem starken Regen größere Ansammlungen der Gerstenähnlichen kleinen Brutknöllchen des Scharbockskrautes zu finden waren.

Funkel, funkel, kleines Kraut …

Die Blüten glitzern wie Gold. Sie reflektieren das Sonnenlicht richtig stark, daher stammt auch der in der Schweiz gebräuchliche Spitzname »Glitzerli«. Als Wetterprophet ist das Scharbockskraut ebenfalls im Einsatz. Es öffnet seine Blüten nur bei Sonnenschein – bleiben die Blüten hingegen geschlossen, bleibt es grau!

Aber Achtung, hier handelt es sich um einen kurzen Frühlingsspaß! So schnell wie das Scharbockskraut gekommen ist, ist es auch wieder verschwunden. Es ist quasi wie das wilde Mon Chéri – nur kurz und saisonal verfügbar. Nach der Blüte zieht sich die Pflanze komplett zurück, so als wäre sie nie da gewesen.

Hier ist das Scharbockskraut zuhause

Seine Heimat hat das Scharbockskraut hauptsächlich in Nord- und Mitteleuropa gefunden. Es kommt aber auch in Kleinasien und Nordafrika vor. In den Allgäuer Alpen ist es in bis zu 1.500 Meter Höhe zu finden. In Nordamerika, Island und auf den Färöer-Inseln ist es im Frühling ebenfalls – meist in feuchten Wiesen, Gebüschen, Hecken oder an Laubwaldrändern – anzutreffen.

Bevor die Bäume Blätter bekommen, bildet Scharbockskraut die erste grüne Bodenkrautschicht. Oftmals sieht man es zusammen mit Knoblauchsrauke oder Gundermann stehen.

Ein Kraut, viele Namen

Im deutschsprachigen Raum und auch international gibt es die verschiedensten Bezeichnungen für das Scharbockskraut. Den bereits erwähnten Schweizer Spitznamen »Glitzerli« hat das Scharbockskraut abbekommen, weil die Blüte so stark glitzert. In Bayern ist es bekannt als »Golderli« oder »Sunnakäspflanzl«. Im österreichischen Tirol geht das Scharbockskraut als »G’sundheitskress« flanieren.

Und nun geht es ab auf die internationale Showbühne! Als »Lesser Celandine« im Englischen, »Ficaire fausse-renoncule« im Französischen und »Ranuncola favagello« im Italienischen wohl bekannt, breitet es sich überall stets per Samenbildung und parallel mit seinen Brutknöllchen aus. Sicher ist sicher! Beide Fortpflanzungsvarianten sind möglich. So stellt das Scharbockskraut Jahr für Jahr die Vitaminversorgung vieler vitaminhungriger Menschen auf aller Welt sicher und entpuppt sich ganz nebenbei als ein wahrer Kosmopolit.

Wirkungsweise

Führer wurde das Scharbockskraut in Europa neben seiner Wirkung gegen die Vitamin-C-Mangelkrankheit Skorbut auch zur Wundheilung und als Wirkstoff in Hämorrhoidensalbe eingesetzt. Speziell in England wurde es im 16. Jahrhundert in Gärten kultiviert, bevor man erkannte, dass es ab der Blütezeit giftig sein kann. Nach der Blütezeit nimmt der Gehalt des Protoanemonin in den Blättern zu. Also aufgepasst: Reizungen der Schleimhäute sind dann möglich!

In China gibt es eine verwandte Art: Ficaria ranunculoides. In der TCM wird es gegen Entzündungen eingesetzt. In Russland heißt das Scharbockskraut sinngemäß »Waldgold« und gilt als Glücksbringer für ein fruchtbares Jahr. In Skandinavien wurde es früher massenhaft zur Frühjahrskur gegessen – bis man auch dort herausfand, dass zu viel davon Reizungen verursacht.

Mit dem Einzug der Zitrusfrüchte nach Europa ab dem 18. Jahrhundert erübrigte sich dann das Sammeln des Scharbockskrautes zum Einsatz bei Skorbut. Weiterhin ersetzten Pflanzen wie zum Beispiel Brunnenkresse und Sauerkraut schnell das Scharbockskraut, da diese über längere Zeit sicher nutzbar sind.

Kurzer Steckbrief unseres glitzernden Bodenbewohners

Blühendes Scharbockskraut im Frühling
Blühendes Scharbockskraut im Frühling | Bild: Adam
  • Botanischer Name: Ranunculus ficaria L.; Synonym: Ficaria verna
  • Geschmack: Blätter leicht sauerscharf, Wurzeln und Brutknöllchen roh nussig und stärkereich.
  • Fundort: Bis etwa 1.500 Meter Höhe. Nährstoffzeiger in Auwäldern und an Ufern mit basenreichen, tiefgründigen Lehm- und Tonböden.
  • Inhaltsstoffe: In den Blättern Vitamin C, Ranunculin, Saponine und Gerbstoffe. In der Wurzel Gerbstoffe, Asparagin und Urease (Ferment).
  • Wirkung: Entzündungshemmend, antiviral, schmerzlindernd und hautverbessernd. Volksmedizinisch innerlich bei Vitaminmangel und äußerlich als Salbe gegen Hämorrhoiden sowie Hautleiden eingesetzt. Abkochung für Waschungen bei Hautproblemen.

Erkennungsmerkmale

  • Typisch: In teppichartigen Beständen auftretend.
  • Blätter: Lang gestielt, herzförmig, Stängel innen doppelt hohl, herzförmig, gekerbter Rand.
  • Blüte: 8 bis 13 Blütenblätter und 3 bis 5 Kelchblätter.
  • Früchte: Fast kugelig, zwei bis drei Millimeter lang, behaart , mit hakig gekrümmtem Schnabel.
  • Brutknöllchen: Nach der Blüte, in Bodennähe zu finden.
  • Essbare Doppelgänger: Gundermann (Glechomea hederacea), Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) , Nelkenwurz (Geum urbanum), nur im ganz jungen Zustand, und Veilchen (Viola odorata).
  • Giftige Doppelgänger: Haselwurz (Asarum europaeum), auch Brechwurz oder Pfefferwurz genannt. Wächst in ähnlich feuchten Wäldern, rundliche Blätter sehen anfangs den sehr jungen Scharbockskrautblättern ähnlich. Der Stiel ist behaart. Blätter nicht gekerbt.

Scharbockskraut für Genießer

Obacht: Die Blüten sind nicht essbar und die Blätter solltest du ab der Blütezeit ebenfalls meiden, um mögliche Reizungen der Schleimhäute zu verhindern.

Knospen

März bis April

Roh in den Salat oder ein bis zwei Tage in Salz geben und danach als falsche Kapern in Öl oder Essig einlegen.

Blätter

Nur vor der Blüte sammeln!

Roh und gekocht verwendbar für Kräutermischungen, Kräuterkäse, Salate und Salatsoßen.

Hinweis: Die jungen Blätter vor der Blütezeit verwenden. Dein Sammelgut gründlich waschen und ruhig mit an deinen normalen Salat als wertvolle »Verwilderung« dazugeben. Längeres Kochen macht die Blätter richtig bitter und ist weniger effektiv, da Vitamin C hitzeempfindlich ist.

Wurzeln

Mai bis Juni

Wurzelknöllchen und Brutknöllchen als Antipasti: Erst ein bis zwei Tage in Salz und dann als Alien-Antipasti in Öl und Essig einlegen. Auch toll als Gemüsebeilage!

Extratipps für längere Haltbarkeit

Um das Scharbockskraut länger haltbar zu machen kannst du Blätter fein geschnitten in Butter oder Öl einrühren und das Ganze in eine Eiswürfelform geben. Eine weitere tolle Variante zur Haltbarmachung ist die Fermentation. So halten sich die Blätter auch lange. Ich empfehle eine Kombination aus fermentiertem Spitzkohl mit Scharbockskraut.

Dazu zuerst das Spitzkraut in dünne Streifen raspeln und je nach Gewicht mit zwei Prozent des Gesamtgewichtes mit Salz bestreuen. Ausdauernd kneten, bis der Gemüsesaft des Krautes austritt und später die feinen Scharbockskrautblättchen dazu geben.

Sollte das ausgetretene Wasser des Spitzkrautes nicht ausreichen, um dein Kraut zu bedecken, kannst du dir zusätzlich eine zweiprozentige Salzlauge herstellen. Das heißt, auf einen Liter Wasser kommen rund 20 Gramm Salz. Das Kraut drei Tage bei Zimmertemperatur stehen lassen und dann in einem Glas verschlossen im Kühlschrank aufbewahren. Diese fermentierte Version hat durch die Milchsäuregärung vermutlich eine noch bessere Vitaminaufnahme.

Äußerliche Anwendung

Die entzündungshemmenden und zusammenziehenden Gerbstoffe sowie die Saponine helfen bei gereizter Haut. Die Volksmedizin setzte Salbe mit Scharbockskraut auch gegen Wundliegen, Frostbeulen und Ekzeme ein. Später kam es seltener zum Einsatz, da mit der Blüte Hautreizungen und Magen-Darm-Probleme auftreten können. Dies war lange Zeit unbekannt und führte immer wieder zu Vergiftungserscheinungen.

Scharbockskraut-Essenz, insbesondere die Blütenessenz hilft, neue verrückte und abenteuerliche Wege zu gehen. Achte dabei jedoch darauf, stets mit Klugheit und Bedacht vorzugehen und den Boden des realen Lebens nicht zu verlieren.

Survival-Pflanze

Nun, das Scharbockskraut ist mehr als nur ein hübscher Parkbegleiter und Frühlingsbote – es ist eine echte Survival-Pflanze! Mit seinen nussigen Brutknöllchen und seinen vitaminreichen Blättern gehört es zu den ersten essbaren Wildkräutern des Jahres. Doch Vorsicht: Nach der Blütezeit heißt es Finger weg! Wer das Kraut aber zur richtigen Zeit sammelt, kann sich eine Extraportion Wildkräuter-Power sichern. Also, Augen auf beim Frühlingsspaziergang – vielleicht wächst ja gerade der geballte Vitamin-C-Teppich vor deinen Füßen!

Wilde Pflanzen essen

Der etwas andere Naturführer mit Survival Siglinde

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Wilde Pflanzen essen: Der etwas andere Naturführer mit Survival Siglinde (Cover)
Wilde Pflanzen essen: Der etwas andere Naturführer mit Survival Siglinde

Bibliografische Angaben

Titel: Wilde Pflanzen essen: Der etwas andere Naturführer mit Survival Siglinde
Taschenbuch: 144 Seiten mit vielen Illustrationen und kostenloser App
Verlag: KOSMOS
Erscheinungsdatum: 17. Februar 2025 (1. Edition)
Sprache: Deutsch
Format: 13,2 x 1,2 x 19,3 Zentimeter
ISBN-10: 3440182460
ISBN-13: 978-3-440-18246-8
Preis: EUR 16,00 [D] | EUR 16,50 [AT] | CHF 24,90 [CH]

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Bald gehts los!

Deine Christine aka Survival Siglinde 

[Produktempfehlungen erfolgen rein redaktionell und unabhängig. Alle Preisangaben ohne Gewähr. Produktverfügbarkeiten und Preise können im DACH-Raum variieren. Anmerkung der Redaktion: Wir bedanken uns herzlich bei Christine Rauch, Autorin des Buches »Wilde Pflanzen essen mit Survival Siglinde« für diesen wunderbaren Gastbeitrag! Artikelbild: Olena Shvets. Fotoquelle: Adobe Stock. Bildbearbeitung: Sissi St. Croix.]